Sitzen, liegen, lümmeln: Auf Kissen sitzen hat lange Tradition
Wie man sitzt oder liegt ist vor allem eine kulturelle Frage, und so war Sitzen viele Jahrhunderte hindurch (vor allem vor der Industrialisierung) nicht nur eine Frage des Wollens, sondern vor allem auch des Könnens. Man füllte die Kissen mit dem, was man zur Verfügung hatte, ob das nun Blätter, alte Kleider oder Schafwolle war. Dass man z.B. in südlichen, orientalischen und vor allem auch nomadischen Kulturen schon immer auf dem Boden sitzt (weil es warm ist oder das Zelt geringe Steh-Höhe hat), liegt u.a. auch daran, dass ein großes Sitzkissen weniger wiegt und besser verstaubar ist (denn schließlich muss alles von Mensch und Tier getragen werden). Auch Sitzpositionen geben Aufschluss über Kulturen, in denen schon immer auf Teppichen oder runden und eckigen Kissen gesessen wurde: Schneidersitz oder Kniehocke sind solche Positionen. Selbstredend galten diese Haltungen in Ländern, in denen aufrecht und z.B. mit übergeschlagenen Beinen gesessen wird, als zu lässig. Natürlich waren diese frühen Sitzkissen anders als der heutige Sitzsack: Unter ihm verstehen wir meist den sehr großen, locker gefüllten Sack, in den man sich hineinwerfen kann und der sich an die Form und das Gewicht des Benutzers anpasst. Dass er sich leicht von Raum zu Raum tragen lässt, ist ein netter Nebeneffekt, aber für stationär lebende Menschen nicht zwingend notwendig. Nichtsdestotrotz sind die fester gefüllten und täglich genutzten Kissen Vorläufer und Verwandte unserer heutigen Sitzkissen. Man könnte auch sagen, mit dem Sitzsack hat etwas südliche Lässigkeit in unsere Wohnlandschaften gefunden.
Die Genese des Namens
Gefüllt waren sie Säcke mit den verschiedensten Materialien – und schon der englische Name Bean Bag erinnert sowohl an eine lustige Form als auch an ein mögliches Füll-Material.Die eigentlichen Bohnensäcke waren zunächst schlicht Aufbewahrungsbeutel, später nannte man auch z.b. entsprechend gefüllte Jongliersäckchen so. Das deutsche „Sitzsack“ erschließt sich von selbst und bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Vom italienische „Sacco“, das sowohl den Sack als auch das erste (und heute noch ebenso heißende) Modell bezeichnet, erfahrt ihr im nächsten Abschnitt mehr.
Der erste serielle Sitzsack in Produktion
Auch der erste „offizielle“, industriell gefertigte Sitzsack der Firma Zanotta, der in Serienproduktion ging, war übrigens schon mit Styroporkugeln gefüllt (zuvor hatte man es mit Tischtennisbällen versucht), und erfunden haben ihn die drei italienischen Architekten Pieor Gatti, Franco Teodore und Cesare Paolini. Die amerikanische Kaufhauskette Macy’s wurde ihr Handelspartner und verhalf den ersten Säcken zu Besitzern (im wahrsten Sinn des Wortes). Zwar kamen sie recht schnell wieder von der Idee ab, „Sacco“ mit Wasser zu füllen – dennoch gibt es aber heutige etliche Sitzsack-Modelle, die dafür umgekehrt Wasser sehr wohl von außen standhalten können (denkt man z.B. an die wasserfesten Outdoormodelle). Es verwundert nicht großartig, dass der Sitzsack Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre erfunden wurde. In seiner Eigenschaft als rebellisches Sitzmöbel (denn er brach mit den bisherigen Sitztraditionen) passte er perfekt in eine Zeit der Veränderung. Zwar saß man auch vorher schon tief oder lag halb (man denke nur an die Recamiere oder das liegende Essen bei den Römern), aber die bewusst nachgiebige Form des Sackes, gepaart mit unkonventionellen Sitzhaltungen (Herumlümmeln, entspannen) stieß natürlich auf Widerstand bei der Elterngeneration. Besonders die Studentenschaft mochte das nachgiebige und bequeme Sitzen. Zudem erforderte es nicht die Anschaffung fester Sitzmöbel. Auch designtechnisch sorgte der „Sacco“ aus Vinyl für Aufmerksamkeit: Das New York Museum of Modern Art adelte den „Sacco“, indem es ihn ausstellte. Seine klassische Birnenform wird bis heute noch immer hergestellt.
Sitzsäcke heute
Inzwischen hat sich der Sitzsack zu einem selbstverständlichen Element variabler Wohnlandschaften gemausert und ist in Läden weltweit in verschiedenen Formen anzutreffen. Besonders die Entwicklung pflegeleichter, hautfreundlicher und robuster Oberflächenmaterialien hat der Sitzsackproduktion eine große Bandbreite an Modellen ermöglicht. Sitzsack-Designer leben sich vor allem in immer neuen Designs (Farben und Mustern) sowie ungewöhnlichen Formen aus. So finden die Styroporkügelchen inzwischen Eingang in runde, eckige, sofaförmige, winzige (für Kinder), riesige (für viele Menschen) und wasserfeste (für draußen) Formen. Durch den separaten Innensack sind die heutigen Bean Bags pflegeleicht, die Hülle lässt sich je nach Saison und Geschmack wechseln und manche Anbieter bieten gar das variable Befüllen des Innensackes – je nach Gewicht und Wunsch des Nutzers. So ist der Sitzsack zu einem Teil unseres modernen Lebens geworden, das sich vor allem durch eines auszeichnet: hohe Flexibilität.
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